Kontroll- und Ermittlungsdefizite im Darknet?

Seit bekannt wurde, dass sich der Amokläufer von München seine Waffe im Darknet besorgt hat, wird viel über Cyber-Kriminalität in diesem anonymen Teil des Internets diskutiert. Das BDZ magazin sprach mit dem HPR-Mitglied und Sachgebietsleiter beim Zollfahndungsamt München Markus Riha (BDZ) über die Überwachungsmöglichkeiten im Darknet und wie der Zoll auf die neuen Herausforderungen durch das anonyme Netz reagieren muss.

BDZ-Redaktion: Herr Riha, wie muss man sich das Darknet vorstellen, das derzeit mehr denn je im Fokus des Medieninteresses steht?
Markus Riha: Was wir vom Internet täglich sehen und nutzen, ist nur ein Bruchteil dessen, was online erreichbar ist. Im sogenannten Darknet können Informationen und Daten mit größtmöglicher Anonymität veröffentlicht und zur Verfügung gestellt werden. Anonymisierungsdienste wie beispielsweise das „TOR“-Netzwerk (englisch für „The Onion Router“) verhindern, dass die eigenen Internetaktivitäten ausgespäht werden können. TOR ist nicht nur eine Tarnkappe zum Surfen, sondern beherbergt auch selbst große Bereiche des Darknet. Dabei handelt es sich um versteckte Web-Seiten auf TOR-Servern, die aus dem normalen Internet nicht erreichbar sind.
BDZ-Redaktion: Der Amokläufer von München hat seine Waffe illegal über das Darknet bezogen. Müsste das Darknet aus Ihrer Sicht abgeschaltet werden?
Markus Riha: Das Darknet bietet gefährdeten Personen wie zum Beispiel Aktivisten in repressiven Staaten die Möglichkeit, ihre Kommunikation zu schützen. Daher hat BKA-Präsident Münch unlängst vollkommen zurecht davon gesprochen, dass man das „Darknet“ per se nicht abschaffen wolle. Aber, was für Freiheitskämpfer in totalitären Regimen oder Whistle¬blower ein scheinbar idealer Ort zum unerkannten Datenaustausch ist, zieht natürlich auch viele Kriminelle an. Leider finden sich dort zunehmend illegale Inhalte und Dienstleistungen, von urheberrechtlich geschützten Dateien über rechtsradikale Propaganda bis hin zu Drogen-Dealern, Waffenverkäufern und Auftragskillern, die sich vor allem über die anonyme digitale Währung Bitcoin bezahlen lassen. Die reine Nutzung des Darknet ist auch nicht verboten, jedoch: all die Dinge, die im offenen Internet und im realen Leben illegal sind, sind es dort natürlich auch. So stellt das Darknet für die Ermittlungsbehörden derzeit einen schwer greifbaren und nur mühsam infiltrierbaren Bereich dar.

BDZ-Redaktion: Wie könnte der Zoll diesen unerwünschten „Nebenfolgen“ begegnen?
Markus Riha: Das Darknet ist technisch und teilweise auch rechtlich mit den Möglichkeiten der Strafprozessordnung kaum überwachbar. Das liegt im Wesentlichen am Funktionsprinzip der eingesetzten Anonymisierungsdienste und daher auch weniger daran, dass wir keine oder zu wenig IT-Experten in diesem Bereich haben! Sämtliche Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland ziehen hier an einem Strang. Künftig werden – insbesondere vor dem Hintergrund der aufwändigen Entschlüsselung chiffrierter Kommunikation – verstärkt Maßnahmen der Observation oder verdeckten Ermittlung erforderlich sein. Diese erfordern in der Regel einen weitaus höheren Personalaufwand als die dezentrale Auswertung von Telekommunikationsüberwachungs-Maßnahmen bzw. Entschlüsselung kryptierter Nachrichtenverkehre.

BDZ-Redaktion: Würde dies allein ausreichen oder sehen sie darüber hinaus weitere sinnvolle Bekämpfungsansätze?

Markus Riha: Wenn ein Teil krimineller Aktivitätsfelder mit legalen und technischen Mitteln nicht überwachbar ist, muss man sich die entsprechenden Lücken im kriminellen System suchen! Die liegen bei strafrechtlich relevanten Darknet-Bestellungen auf der Hand: nämlich die weltweite, EU-weite und innerdeutsche Zustellung an die Empfänger per verschiedensten Postdienstleistern und Postservices.

Hier muss der Zoll ansetzen!

BDZ-Redaktion: Wie ist der Zoll aufgestellt, hat die Zollverwaltung ausreichende Möglichkeiten, um Postsendungen effektiv zu kontrollieren?

Markus Riha: Nein, es fehlt in diesem Zusammenhang vor allem die sachgerechte Befugnisausstattung, um die geeigneten wie auch notwendigen präventiven und repressiven Bekämpfungsmaßnahmen tatsächlich umsetzen zu können.

BDZ-Redaktion: Welche Befugnisse haben Sie da genau im Blick?

Markus Riha: Dringend angezeigt ist eine Anpassung des Zollverwaltungsgesetzes. Hier muss die Vorlagepflicht für Postsendungen auf alle im grenzüberschreitenden Verkehr, das heißt Sendungen aus bzw. in Drittländer und innerhalb der EU, tätigen Postdienstleister ausgeweitet werden. Der Zoll muss die Möglichkeit bekommen, in diesem Bereich stichprobenweise bzw. risikoorientierte weitergehend zu kontrollieren. Weiterhin muss die Kontrollbefugnis auf Datenträger aller Art im grenzüberschreitenden Verkehr ausgeweitet werden. Gleichzeitig müssen die von der Kontrolle Betroffenen verpflichtet werden, diese auch durch Entfernung etwaiger Sicherungen oder Verschlüsslungsmechanismen für Kontrollen zugänglich zu machen. Diese erweiterten Befugnisse müssen durch eine Anpassung der Sanktionierungsvorschriften ergänzt werden.

BDZ-Redaktion: Hat der Zoll aus Ihrer Sicht das erforderliche Personal, um wirksame Kontrollen durchführen zu können?

Markus Riha: Neue bzw. erweiterte Kontrollbefugnisse können nur dann wirksam genutzt werden, wenn die personelle und sachliche Ausstattung der Kontrolleinheiten Verkehrswege und des Zollfahndungsdienstes entsprechend angepasst werden.

Bild: wsf-f - Fotolia

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