Schweizer Grenze: Ausfuhrkassenzettel abstempeln statt Kriminalität bekämpfen

Der deutsche Zoll sieht sich an der Schweizer Grenze mit einem zunehmenden Einkaufstourismus konfrontiert. War bereits 2010 eine Zunahme der Ausfuhren in Richtung Schweiz um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen, hat sich die Situation inzwischen weiter verschärft. Aus Sicht des BDZ leiden unter dem Service, den der Zoll mit der Bestätigung von Ausfuhrbescheinigungen zu leisten hat, dessen originäre Aufgaben: die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. 

Der Ansturm der Schweizer Einkaufstouristen, vor allem an Wochenenden, führt seit Langem zu einer spürbar wachsenden Arbeitsbelastung des Zolls bei den Personenkontrollen im Reiseverkehr. Mit den steigenden Preisunterschieden zwischen Deutschland und der Schweiz hat das tägliche Abstempeln von Ausfuhrkassenzetteln einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Zahl der von den Hauptzollämtern Lörrach und Singen bestätigten Ausfuhrbescheinigungen, die für private Einkäufe in der Europäischen Union (EU) ausgestellt wurden, stieg sprunghaft an.

So wurden beim Hauptzollamt Singen 2010 fünf Millionen Ausfuhrbescheinigungen und im ersten Halbjahr 2011 bereits drei Millionen registriert. Der Zuwachs beläuft sich somit auf 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Beim Hauptzollamt Lörrach war von 2009 auf 2010 eine Steigerung von zehn Prozent zu beobachten. Das Zollamt Weil am Rhein-Friedlingen wies 2010 die höchsten Abfertigungszahlen auf. Waren es dort zur Jahreshälfte 2009 noch rund 380 000 Belege, fertigte der Zoll von Januar bis Juni 2010 rund 18 000 Bescheinigungen mehr zur Ausfuhr in die Schweiz ab.

Seit Jahren gehören Lebensmittel zu den am häufigsten gekauften Produkten. Daneben entfällt ein Teil des Einkaufstourismus auf den Heimwerkerbedarf und den Bereich der Autoreparaturen, gefolgt vom Einkauf von Haushaltsgeräten sowie Möbeln.

Der deutsche Zoll kann Bescheinigungen nur bestätigen, wenn ein gültiges Ausweisdokument des Käufers den Wohnsitz außerhalb der EU nachweist. Wird die Ausfuhrbescheinigung dem Zoll vorgelegt, so müssen in diesem Zeitpunkt die eingekauften Waren auch tatsächlich die Europäische Union verlassen.

BDZ-Chef Klaus H. Leprich kritisiert, dass Schweizer Einkäufe durch den deutschen Steuerzahler subventioniert werden. Denn die Schweizer ließen sich in aller Regel beim Grenzübertritt die Ausfuhr ihrer in Deutschland gekauften Ware bestätigen und erhielten so die Mehrwertsteuer erstattet, da kein Verbrauch in Deutschland stattfindet und die Ware ausgeführt wird. Die dadurch entstehenden Personalkosten belasteten jedoch den deutschen Steuerzahler.

Der Zoll erbringe einen kostenlosen Service, für den eigentlich das Finanzamt zuständig wäre, so Leprich weiter. Die Folge: Über 100 Zöllnerinnen und Zöllner bestätigten Ausfuhrbescheinigungen und könnten damit ihrer eigentlichen Tätigkeit nicht nachkommen.

Leprich wörtlich: „Statt Schwarzgeld, Markenpiraterie und Rauschgift zu bekämpfen, stempeln Zöllnerinnen und Zöllner Tag für Tag Ausfuhrkassenzettel ab. Der Dank der Schweizer ist nicht wirklich gewiss. Der Dank der Kriminellen für eine offene Grenze allemal!“

Eine Antwort zu “Schweizer Grenze: Ausfuhrkassenzettel abstempeln statt Kriminalität bekämpfen”

  1. Die Überwachungs- und Kontrollfunktion der Sicherheitsbehörden an der Schweizer Grenze hat die Effektivität eines Fischkutters ohne Netz. Nach den gravierenden Personalfehlbeständen der Landespolizei und der nicht abgeschlossenen Umorganisation der Bundespolizei setzt sich nun die Zollverwaltung im Bereich der Kontrolleinheiten selbst außer Kraft. An stark frequentierten Übergängen mit bis zu 7000 bestätigten Ausfuhr-bescheinigungen an einem Tag (Kopfrechner vor! Bei 12 Std. Laden-öffnungszeit sind das fast 10 Bescheinigungen in der Minute) bleibt keine Zeit mehr, um die Sicherheit im grenzüberschreitenden Verkehr zu gewährleisten, geschweige den die tatsächliche Ausfuhr der abgestempelten Waren zu überprüfen.\r\n\r\nDie Kriminalitätsstatistik für den Grenznahen Raum wird für das Jahr 2011 nur positives zu berichten haben. Schwindender Einfuhrschmuggel, geringere Geldwäschetransfers und eine steigende Steuerehrlichkeit. Den von der Statistik erfasst werden nur durch Kontrolle aufgedeckte und durch vorhandenes Personal verfolgte Verstöße. Die reine Erfassung der „Hell-Felder“ beruhigt vordergründig und lässt die Entscheidungsträger in der Politik und den Bürger zufrieden schlafen. Bis sich die Kriminalität aus den „Dunkel-Felder“ erhebt und unerwartet zuschlägt.\r\n\r\nDie Zöllner und Zöllnerinnen sehen es als ihre Aufgabe an, durch Überwachung und Kontrolle für Stabilität in Europa, den Schutz der inländischen Wirtschaft, aber auch für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Der Frust bei den Sicherheitskräften, diesem Anspruch nicht mehr gerecht zu werden, wird immer spürbarer.\r\n\r\nDie Zollverwaltung sollte nicht mehr dazu gezwungen werden, Personalfehlbestände durch Ressourcenausgleich verschieben zu müssen, um die größten Missstände auszugleichen. Der Staat ist gefordert, sich die Frage zu stellen, wie lange er seinen Bürgerinnen und Bürger noch vorenthalten kann, dass er seinem „Fischkutter“ das Personal abzieht und die Netze verwehrt.

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